Prof. Dr. Johannes Fried: Wissen und Gedächtnis. 23. Juni 2003.

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Worum es geht:
Die Mehrzahl historischer Quellen beruht auf Gedächtnisleistungen. Doch das Gedächtnis trügt, denn es unterliegt der verformenden Dynamik des Erinnerns. Selbst Augenzeugenberichte können in elementaren Aussagen erheblich vom tatsächlichen Geschehen abweichen. Die moderne Geschichtswissenschaft hat diesem Problem bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Der Frankfurter Historiker Johannes Fried trägt diesem Umstand Rechnung und konfrontiert ein historisches Beispiele mit den neurobiologischen Grundlagen des Erinnerns und der Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses:
Am 13. Juni 1886 wurden die Leichen König Ludwigs II. von Bayern und seines Arztes Dr. Gudden im Starnberger See gefunden. Johannes Fried unterzieht das sagenumwobene Bild vom wahnsinnigen König, der im Tod zum Selbstmörder und Mörder an seinem Arzt wurde, einer kritischen, die spezifische Arbeitsweise des menschlichen Gedächtnisses berücksichtigenden Betrachtung. Im Zentrum stehen die Berichte des damaligen preußischen Legationssekretärs Philipp zu Eulenburg, der am Morgen nach dem Unglück Tatort und Leichen in Augenschein nahm. Das Ergebnis ist frappierend: Auch die glaubwürdigste Aussage entgeht nicht der verformenden Dynamik des Erinnerns.

Zum Referenten:
Johannes Fried (geb. 1942) ist Professor für Mittelalterliche Geschichte in Frankfurt am Main. Von 1996 bis 2000 war er Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands. Für sein Werk Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024 (Berlin 1994) erhielt er den Preis des Historischen Kollegs. Zu seinen jüngeren Publikationen zählen: Aufstieg aus dem Untergang. Apokalyptisches Denken und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter (München 2001) sowie Die Aktualität des Mittelalters. Gegen die Überheblichkeit unserer Wissensgesellschaft (Sigmaringen 2002).

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